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Internationaler Tag des Frühgeborenen am 17. November 2015

Neue Studie will Entwicklungschancen der Frühchen verbessern.

Immer mehr Kinder kommen zu früh auf die Welt. Derzeit sind es rund 60.000 Kinder pro Jahr allein in Deutschland. Der Internationale Tag des Frühgeborenen am 17. November möchte über die langfristigen Schwierigkeiten der Frühchen informieren. Oft zeigen sich die Probleme erst in der Schule. In einer neuen Studie wird die Leistungsfähigkeit der Frühchen untersucht.

Zwar haben sich die Überlebenschancen der Frühchen in den vergangenen Jahren verbessert. Aber viele Frühchen leiden in der Schule unter den Folgen der frühen Geburt. Vor allem das noch unreife Gehirn verursacht die späteren Probleme.Dr. Britta Hüning, Neonatologin am Universitätsklinikum Essen: „Medizinisch ist es möglich geworden, immer jüngere Frühchen am Leben zu erhalten. Doch je früher ein Kind geboren wird, desto größer ist das Risiko, dass es bleibende Schäden davonträgt.“

Jetzt geht es Neonatologen und Kinderärzten vor allem darum, wie die Perspektiven dieser Frühchen verbessert werden können. „Bisher gibt es sehr wenig Daten über die Langzeitentwicklung Frühgeborener in Deutschland“, weiß Dr. Britta Hüning. Eine der wenigen bisherigen Untersuchungen stammt aus Bayern: Im Rahmen der Bayerischen Entwicklungsstudie wurden frühgeborene Kinder zu fünf Zeitpunkten während der ersten neun Lebensjahre untersucht. Es handelte sich um Kinder, die zwischen dem 1. Januar 1985 und 31. März 1986 geboren wurden und innerhalb der ersten zehn Lebenstage in eine Kinderklinik in Südbayern aufgenommen werden mussten. Das Ergebnis: Sehr kleine Frühgeborene hatten mehr als zehnmal häufiger kognitive Defizite als die Babys der Vergleichsgruppe und besondere Probleme bei der ganzheitlichen Informationsverarbeitung. Oft waren mehrere Funktionsbereiche gleichzeitig betroffen (IQ, Lesen, Schreiben, Rechnen, Sprache). Es traten häufiger Aufmerksamkeitsprobleme auf und 22 Prozent der sehr Frühgeborenen besuchten eine Sonderschule.

Studien aus dem Ausland, vor allem aus Großbritannien, bestätigen die großen Schwierigkeiten von Frühchen später in der Schule: Britische Wissenschaftler führten Nachuntersuchungen mit 219 Frühgeborenen im Alter von sechs und elf Jahren durch und verglichen diese mit einer gesunden Kontrollgruppe. Die Frühchen waren im Jahr 1995 geboren worden. Es zeigte sich, dass viele Frühchen unter Entwicklungs- und Verhaltensproblemen leiden. 13 Prozent mussten auf Sonderschulen beschult und 51 Prozent mit Integrationsmaßnahmen gefördert werden. 17 Prozent hatten schwerwiegende Störungen des Zentralnervensystems, motorische Entwicklungsstörungen fanden sich in zehn Prozent.

„Die Frühchen haben in der Schule vor allem dann Schwierigkeiten, wenn das Gehirn vor komplexen Aufgaben steht, bei dem mehrere Gehirnbereiche gefordert sind“, weiß Dr. Britta Hüning. Zum Beispiel Textaufgaben in Mathe. Außerdem leiden sie unter Konzentrationsproblemen. „Frühchen müssen daher speziell gefördert werden“, fordert die Essener Neonatologin. Außerdem sollten die Lehrer besser über die Schwierigkeiten der Frühchen informiert werden, um diese Kinder gezielt zu unterstützen. Dr. Britta Hüning: „Viele Lehrer wissen über Frühchen erstaunlich wenig.“

In einer Studie untersuchen Dr. Britta Hüning und ihre Kollegen zurzeit, ob ein adaptives Arbeitsgedächtnistraining den Schulerfolg Frühgeborener verbessern kann. Hierbei wird nicht nur die Leistungsfähigkeit untersucht, sondern auch die Einschätzung der Lehrer erhoben.

An der Studie mit dem Titel „Fit für die Schule“ nehmen 80 Mädchen und Jungen teil. Alle kamen zu früh auf die Welt, sind jetzt fünf oder sechs Jahre alt und gehen in die 1. Klasse einer Grundschule. Im Rahmen der Studie spielt jedes Kind über einen Zeitraum von fünf Wochen täglich zuhause am Computer ein spezielles Trainingsspiel. Das Kind wird während dieser Zeit von den Wissenschaftlern telefonisch und persönlich betreut. Vor und nach den Trainingswochen sowie noch einmal ein Jahr später, im 2. Schuljahr, wird der Klassenlehrer des Kindes um eine kurze Einschätzung der schulischen Leistung gebeten. Zusätzlich überprüfen die Wissenschaftler das Kind in Mathematik, Lesen und Schreiben.

Die Studie, die von der Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Psychologie, Abt. Entwicklungspsychologie und dem Universitätsklinikum Essen, Neonatologie initiiert wurde,  wird an verschiedenen Kliniken im Ruhrgebiet durchgeführt. Beteiligt sind die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Essen, die Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Ruhr-Universität Bochum im St. Josef-Hospital Bochum, die Sana Kliniken Duisburg sowie die Klinik für Neu-und Frühgeborene, Elisabeth-Krankenhaus Essen.

Es werden zwei Gruppen gebildet. Die eine Gruppe erhält ein Training, das sich flexibel an den kindlichen Leistungsstand anpasst. Die andere Gruppe erhält ein Training, das immer gleich schwierig ist. Weder das Kind noch die Eltern erfahren, in welcher Gruppe sie sind. Dr. Britta Hüning: „Die Studie soll zeigen, wie gut sich die Kinder in der Schule konzentrieren können und wie die Leistungsfähigkeit verbessert werden kann.“

Das langfristige Ziel des Wissenschaftsteams: Solche Programme für Frühchen gezielt einsetzen. „Dann werden die Frühchen auch bessere Schulabschlüsse machen“, sagt Dr. Julia Jäkel, Entwicklungspsychologin der Ruhr-Universität Bochum.

Gleichzeitig, so Dr. Britta Hüning, sei es auch wichtig, eventuelle Entwicklungsprobleme viel eher zu erkennen und das Kind schon frühzeitig zu fördern: „Dafür ist es natürlich notwendig, eventuelle Gehirnschäden möglichst zeitnah nach der Geburt zu erkennen. Wir führen daher in Essen bei den Frühchen ein spezielles MRT durch.“ Denn im Kernspin sieht man gewisse Gehirnstrukturen viel besser als zum Beispiel im Ultraschall. Röntgen oder Computertomografie sind weniger geeignet, wären ohnehin mit einer großen Strahlenbelastung verbunden.

Damit die Frühchen für die MRT-Untersuchung den schützenden Brutkasten nicht verlassen müssen, bietet das Lübecker Medizintechnik-Unternehmen LMT Medical Systems GmbHeinen besonderen Inkubator für Früh- und Neugeborene an: Mit dem MR Diagnostik Inkubator System nomag® IC können die Patienten direkt in den Magnetresonanz-Tomografen geschoben und dort untersucht werden. Der nomag® IC wird im Universitätsklinikum Essen schon seit mehreren Jahren erfolgreich eingesetzt.

Kontakt zur Studie: Dr. Britta Hüning, Universitätsklinikum Essen, E-Mail britta.huening@uk-essen.de

Der Internationale Tag des Frühgeborenen: Bereits zum 7. Mal

Der Internationale Tag des Frühgeborenen möchte über Frühgeburten und ihre Folgen informieren. Deutschlandweit werden jährlich rund 60.000 Kinder zu früh geboren. Tendenz: steigend. Hauptgrund ist der Anstieg der künstlichen Befruchtungen und der damit oft verbundenen Mehrlingsgeburten. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet der 17. November als Termin für den Tag des Frühgeborenen ausgewählt wurde: Im November 2008 fand in Rom das erste Europäische Elterngruppentreffen der „European Foundation for the Care of Newborn Infants“ (EFCNI) statt. Der Stiftungsgründer der EFCNI hatte im Dezember 2006 Drillingsfrühchen verloren.  Am 17. November 2008 wurde er Vater einer gesund geborenen Tochter. Auf der Suche nach einem geeigneten Termin für den „Tag des Frühgeborenen“ einigten sich die Elterngruppenvertreter schnell auf diesen Tag, der nach so viel Leid dem frischgebackenen Vater hoffentlich endlich Glück bringen sollte.

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